Emilia:
Um 19 Uhr gingen die Lichter in der Festhalle des Blaulach-Gymnasiums in Kusterdingen aus, die ersten Töne schallten aus den Boxen, und der Vorhang wurde geöffnet. Jetzt begann für das Publikum das Eintauchen in eine andere Welt, doch für diejenigen, die das Schauspiel zum Leben erweckten und es mit Persönlichkeit füllten, hatte der Abend schon viel früher begonnen.
In einem Seitenflur der eigentlichen Turnhalle waren Tische an der Wand aufgestellt, auf denen Puder, Haarspray und Lidschatten in allen möglichen schillernden Farben ihren Platz fanden. Gegenüber saßen die Schauspieler*innen, die mit der Hilfe des Theaterteams mit jedem Pinselstrich mehr und mehr mit den wunderbaren Charakteren aus ihrer Geschichte verschmolzen. Die Luft war trotz des straffen Zeitplans und der Nervosität der Darsteller fröhlich und voller Aufregung, endlich auf die Bühne zu dürfen. Alle wollten zeigen, an was sie die letzten Monate mit vollem Herzen gearbeitet hatten. Es wurde viel gelacht, Frisuren und Make-up wurden mit Komplimenten versehen, und ab und an wurden noch einmal Sätze vor sich hin geflüstert.
Nach dem längeren Stillsitzen in der Maske, was für einige durch die Vorfreude nicht ganz so leicht war, wurde es jedoch schnell ernst, denn alle Schauspieler wurden auf die Bühne gerufen – und dort geschah aus der Außenperspektive betrachtet Magie. Man konnte förmlich sehen, wie sich die vielen Schüler einer nach dem anderen vollends in ihre Rolle einfühlten. Die einen mit einem strengen Blick, in dem nichts mehr von der Freude zu erkennen war, die vor wenigen Minuten noch im Flur geherrscht hatte. Andere sprangen breit lachend umher, umgeben von der eigens geschaffenen Realität. Es wurde sich eingesprochen, und nach dem letzten Mutmachen der beiden Leiterinnen Laura Hermenau und Katharina Sigler verschwanden alle hinter dem schweren Stoff des Vorhangs.
Die Darsteller waren ohne eine Spur zu hinterlassen verschwunden, was für die Besucher bedeutete, dass sie nun eintreten durften. Die Reihen füllten sich innerhalb kurzer Zeit bis auf den letzten Platz, sodass noch weitere Stühle aus den Garagen geholt werden mussten. Es dauerte eine Weile, bis jeder saß, doch dann gingen endlich die Lichter aus, und auf der Uhr stand der kleine Zeiger unmittelbar auf der 19. Das Gemurmel verstummte, die Musik begann, und ein Scheinwerfer wurde nach vorne gerichtet. Leise und anfangs etwas schüchtern traten die ersten Charaktere in Erscheinung. Die Augen aller richteten sich schlagartig gebannt auf das, was oben unter dem einzigen Licht passierte.
Schnell verlor man sich selbst in der erzählten Geschichte: Das Auftreten der Feuerfrau verursachte eine bizarre Kälte im Raum, wohingegen die Windkinder eine Leichtigkeit ausstrahlten, von der man sich leicht anstecken ließ. Das Auftreten der Regentrude brachte Erleichterung mit sich – und nicht zu vergessen das wunderschöne Duett, das bei vielen für einen der Gänsehautmoment sorgte.
Als ganz am Ende alle auf der Bühne standen, belohnte das Publikum sie mit einem mehr als verdienten, lauten Applaus. Ausnahmslos waren die Gesichter mit einem Strahlen bedeckt, doch hinter der Bühne wurde erst richtig die erfolgreiche Vorstellung gefeiert. Es wurde sich umarmt, gegenseitig gelobt und getanzt. Dieses Gefühl der Freude und Leichtigkeit ist einmalig und unbeschreiblich, wenn man es nicht selbst einmal erlebt hat.
Es war ein Abend voller Erfolg, an dem viel gelacht wurde. Doch hinter all dem Schauspiel und der erdachten bunten Welt mit all ihren einzigartigen Bewohnern steckt im Kern doch eine Frage, die uns auch in unserer Realität beschäftigen sollte. Selbst nachdem der Vorhang schon lange geschlossen war, die Lichter wieder an waren und die Darsteller zu ihren Familien liefen, blieb doch diese eine Sache unbeantwortet: Gibt es ein Happy End?
Ich glaube, diesen Satz muss jeder für sich selbst mit seinem Verhalten auf diesem Planeten beantworten. Doch ich glaube auch, dass ich noch einmal im Namen aller, die die Ehre hatten, im Publikum zu sitzen, Danke sagen kann – für diesen unvergesslichen Abend.
Emilia Speidel, 10b